Da lag ich also in Yangon in meinem Drei-Quadratmeter-Zimmer, bei 35°C und einer horrenden Luftfeuchtigkeit, und fühlte mich hundeelend. Etliche Zeit hatte ich schon in der engen Etagentoilette verbracht, denn alles was ich zu mir nahm, kam postwendend wieder raus. Tee, Wasser, Bananen, Reis. Am zweiten Tag begann ich mir langsam Sorgen zu machen… der Körper braucht ja Flüssigkeit, insbesondere bei dieser Hitze.
Erst glaubte ich, ich hätte etwas Schlechtes gegessen als ich bei den Mönchen zu Besuch war. Essen, das die Mönche auf ihrem Rundgang durchs Quartier von den Bewohnern erhalten. Hier etwas gekochten Reis, da ein paar Tomaten. Ein Ritual, das allmorgendlich bei Tagesanbruch vollzogen wird und wunderschön zu beobachten ist, wenn die Mönche in ihren roten Gewändern in Einerreihe mit ihrem Geschirr durch die Strassen ziehen. Langsam dämmerte mir aber, dass ich mir eher beim anschliessenden Aufenthalt im eisig klimatisierten Reisebüro den Magen erkältet hatte. Ich war verschwitzt und musste über eine Stunde warten, bevor ich an die Reihe kam. Später, als ich mir einen Tempel ansah, wurde mir schwindlig und so speiübel, dass ich mich draussen an der Seitenwand übergeben musste, und mich dann völlig geschwächt in den Tempel legte. Als es nicht besserte, mobilisierte ich meine ganzen Kräfte, um die Anlage zu verlassen und einen Rikschafahrer herbeizuwinken, der mich in meine Pension zurückbrachte.
Damit ich in meiner Kammer etwas mehr Luft hatte – und auch weil ich manchmal recht schnell Richtung Toilette musste – liess ich tagsüber die Türe offenstehen. So lernte ich Stefanie aus Berlin kennen. Stefanie und ihr Reisepartner hatten das Zimmer am Ende des Ganges und kamen täglich mehrere Male an meiner Tür vorbei. Sie hatten Mitleid mit mir. Sie brachten mir Wasser und Bananen mit oder baten im Hotel um Tee oder weissen Reis für mich. Sie erzählten mir von ihren Entdeckungen in der Stadt, und wir tauschten uns über Reisepläne aus. So fanden wir heraus, dass wir zur gleichen Zeit in Bagan sein würden, einer äusserst faszinierenden Tempellandschaft im nördlichen Teil des Landes. Da würden wir uns also wieder sehen! Endlich erholte sich auch mein Magen.
Bagan, zehn Tage später. Ich war unermüdlich unterwegs. Tagsüber von Tempel zu Tempel kurvend, einer erstaunlicher als der andere. Abends im überschaubaren Zentrum von Bagan, wo die Resstaurants alle offene Terrassen haben. Weit und breit keine Spur von Stefanie. Wir waren uns so sicher, dass wir uns da unmöglich verpassen konnten, und nun schien genau das zu passieren. Am dritten Abend war ich unendlich traurig darüber. Mir wurde erst nach der Abreise aus Yangon bewusst, wie sehr ich sie liebgewonnen hatte in den kurzen Begegnungen, und hatte mich täglich mehr auf das Wiedersehen gefreut. Nun würde ich sie nie mehr sehen. Ich hatte keine Adresse, keine Telefonnummer von ihr, kannte nur ihren Vornamen. Doch plötzlich stand sie vor mir. Wir haben uns unbändig gefreut, und ich spürte, dass es ihr genau gleich ergangen war. Auch sie hatte die Hoffnung schon aufgegeben, mich noch zu treffen. Wir genossen den Abend zusammen, erzählten und lachten viel, und bedauerten es, dass unsere Reisepläne uns in unterschiedliche Richtungen führten. Wir tauschten unsere Adressen aus.
Zwölf Jahre später. Ich kann nicht von einer engen Freundschaft reden. Sonst hätten wir in all der Zeit bestimmt mehr als zwei Wiedersehen auf die Reihe gekriegt. Aber seit Myanmar schreiben wir einander regelmässig Briefe und Ansichtskarten. Ausschliesslich. Echte Post, die ich freudig mit Neugier und Genuss öffne, Post, die Erinnerungen an Myanmar weckt. Handgeschrieben, jedes Stück ein Unikat. Mit Briefmarke und Stempel, vielleicht mit einem Eselsohr, einem Verschreiber oder einem Kaffeefleck. Hundert Prozent authentisch. Das hat mittlerweile einen gewissen Nostalgie- und Seltenheitswert.
Myanmar ist auch als Birma oder Burma bekannt. Yangon (engl. Rangoon) war bis 2005 die Hauptstadt der Republik Myanmar. Die Hauptstadt wurde anschliessend nach Naypyidaw verlegt.