Immer wenn es Nacht wird im Amazonas – und das ist bereits um achtzehn Uhr, wenn die Sonne untergeht – suchen sich alle tagaktiven Vögel ihren Schlafplatz. In der Stadt Leticia zum Beispiel lassen sich Abertausende von Papageien in den Bäumen des Parque Santander nieder. Eine volle Stunde lang flattern die grünen Vögel in Scharen heran, und ihr Zwitschern und Zetern übertönt jeglichen Stadtlärm. Die Bäume sind zum Bersten gefüllt, und auch Strommäste und Stromkabel werden bis auf den letzten Platz besetzt. Wir stehen auf der Aussichtsplattform des Kirchturms und staunen. Und geniessen die weite Aussicht und den spektakulären Sonnenuntergang.

Die Bäume sind zum Bersten gefüllt, und auch Strommäste und Stromkabel werden bis auf den letzten Platz besetzt.

An allen Fluss- und Seeufern geht ähnliches vor sich. Reiher und Geier lassen sich auf den höchsten Bäumen nieder; Kormorane, Eisvögel und zahlreiche Kleinvögel besiedeln eher die unteren Büsche und Bäume. Ein wunderbares Schauspiel, jeden Abend von Neuem. Eine halbe Stunde später ist es dunkel, und die Sterne glitzern am Himmel. Ja, es geht schnell hier. Wir befinden uns quasi am Äquator, schlappe 4° südlich. Zwölf Stunden Tag, zwölf Stunden Nacht.

Nun erwacht das Nachtleben, und das hat es in sich.

Nun erwacht das Nachtleben, und das hat es in sich. Sollte man bereits tagsüber aufpassen, wo man hintritt, so sollte im Dunkeln keine Bewegung unbedacht vollzogen werden. Immer schön die Gegend ableuchten, wo man hinwill, hintritt, hinlangt. Ganz besonders, wo man hinlangt. Denn: die Tiere hier sind Meister der Camouflage. Eine Flechte? Weit gefehlt! Bei näherem Hingucken hat sie Augen, Beine und Fühler. Ein Blatt? Nein, ein Käfer! Ein Ästchen? Nein, eine stachlige Raupe! Und das fiese: unbeabsichtigter Kontakt führt meist zu schmerzenden Stichen und juckenden Hautirritationen. Ganz zu schweigen von allem Ärgeren wie Taranteln, Skorpionen, Kaimanen und tödlich giftigen Schlangen. Ich stand einen knappen Meter neben so einer Schlange. Weil der Guide, der auf dem Dschungel-Nachtwalk vorausging, sie übersehen hat.

Eine wunderschön elegante, grünliche Schlange. Ich hätte gerne länger hingeguckt, wenn nicht…

«Iiiiiiiii, una serpiente, hay una serpiente!!», schrie es plötzlich hinter mir. «Dónde? Wo?» – «Acá, acá!!» Eine wunderschön elegante, grünliche Schlange. Ich hätte gerne länger hingeguckt, wenn nicht… «Salga de allá, salga de allá!!», rief der Guide vor mir eindringlich. Ich also weg, nicht zu schnell, was weiss ich, wie denn so eine Schlange auf hektische Bewegungen reagiert… Doch war sie durch unsere Stirnlampen wohl so geblendet, dass sie nicht wusste, wo angreifen, obwohl sie sehr wohl dafür bereit war.

Ich also weg, nicht zu schnell, was weiss ich, wie denn so eine Schlange auf hektische Bewegungen reagiert…

Und dann sagt doch der Guide, dass man nach dem Biss einer solchen Schlange innert 24 Stunden tot sei, und selbst mit einem Gegengift bliebe man für immer körperlich geschädigt. Hagel und Granaten, bei allen hunderttausend heulenden Höllenhunden…!! Damit war der Nachtwalk dann auch beendet, weitere Risiken wollte der Guide wohl nicht mehr eingehen, pffff…! Mir war’s auch recht, würde gern noch den Rest von Kolumbien sehen (und sonst noch ein paar Dinge im Leben erleben), bevor ich hier einen Abgang mache!! – Sagen wir mal: «Glöggli gha».

P.S. Ein Bild von der Schlange lag, wie ihr wohl verstehen werdet, nicht drin… aber sie sah genau so aus, wie das SMS-Icon im iPhone:

 

Dann wenn es nicht regnet
Viel von etwas

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